Kommentare Kerlikowskys Kommentar über... Überwachungsstaat + Zollfahnder-Razzien

Foto: KerlikowskyGuten Tag! Es war eine Großrazzia mitten in einer Einkaufsstraße in Berlin-Wilmersdorf. 25 Zollbeamte besetzten einen 25 Quadratmeter großen Obstladen eines Türken. Es ging nicht um Rauschgift. Gesucht wurde der Nachweis, daß der Inhaber Schwarzarbeiter beschäftigt. Das vermuteten die Fahnder, weil sie den Laden observiert und festgestellt hatten, daß er mehr als acht Stunden geöffnet hat. Und da keiner länger als acht Stunden arbeitet, so ihre These, müssen Schwarzarbeiter die restlichen Stunden beschäftigt gewesen sein.

Der Inhaber, der mit seiner Frau und helfenden Kindern den Laden führt und täglich noch eine Hilfe für vier Stunden hat, versuchte vergeblich, den Fahndern das klarzumachen. Die Sache liegt beim Staatsanwalt. Fast 100.000 Euro Strafe soll der Obsthändler zahlen. Sein Anwalt hat nur wenig Trost für ihn; denn bei dem Aufwand ist anzunehmen, daß er zumindest wegen irgendetwas eine Strafe zahlen muß. Das ist deutsche Rechtstradition.

Daß der Zoll gleich mit 25 Leuten anrückt, ist nachvollziehbar. Wie sollen Zollbeamte auch den ganzen Tag verbringen, wenn es an Zollsachen durch die Bildung der erweiterten EU für sie nur wenig zu verzollen gibt? Ihnen gab man deshalb die Aufgabe, Schwarzarbeiter zu finden.

Die Staatsbediensteten werden immer rigoroser gegenüber den Bürgern, obwohl es häufig nicht sofort zu merken ist. So registrierten allein 202 Volks- und Raiffeisenbanken, daß von staatlichen Stellen im Januar 14 Millionen Kontenabfragen vorgenommen wurden. Demnach ist jeder Bankkunde im Schnitt dreimal überprüft worden, ohne darüber informiert worden zu sein. Profilierungsbedarf haben Behörden anscheinend bei Prominenten. Jeder erinnert sich noch an die Steueraffären von Margarethe Schreinemakers, die ihren Wohn- und Firmensitz in Belgien hatte und in Köln arbeitete und an Boris Becker, der leichtsinnigerweise zu viel Nächte in München verbracht hatte und nicht an seinem Wohnsitz Monte Carlo. Jetzt traf eine ähnliche Problematik das Model Nadja Auermann, das sich seit einiger Zeit über eine eigene Firma in Potsdam vermarktet. Sie soll wie Becker vor einiger Zeit zu viele Tage in Berlin gewohnt haben und nicht an ihrem angegebenen Wohnsitz Monaco. Auch hier gab es erst einmal eine Razzia, um die Steuerpflicht in Deutschland festzustellen.

Über die Prominenten spricht man, was diesen, trotz ihrer Publicitysucht, bei Steuersachen sicher nicht gerade recht sein dürfte. Ein Obsthändler interessiert kaum. Daß wir die Erfahrungen aus Nazi- und DDR-Zeiten nicht verdrängen, sondern den Überwachungsstaat zurückdrängen, das wünscht uns allen Ihr

Dr. Horst Kerlikowsky
Berlin, den 24. März 2006

Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus (Copyright: Dr. Horst Kerlikowsky): Media Selection - ein Dienst von ETAGE Chef-Information. Weitere Infos und Abo-Bestellung bei Dr. Horst Kerlikowsky; Telefon: (030) 3 27 53 67 oder (089) 34 40 12; E-Mail: MediaSelection@t-online.de.


P.S. Sie finden in dieser Ausgabe unter anderem folgende Themen:

Siemens: Der Vorstandsvorsitzende Dr. Klaus Kleinfeld zeigt sich bei einer CSU-Veranstaltung optimistisch nach dem Slogan, ich mache mir viele Sorgen um Deutschland, aber nicht um deutsche Unternehmen

Hauptsstadt Berlin: Von einst 1,7 Millionen Industriearbeitsplätzen in der Stadt gibt es heute noch 100.000. Die Perspektiven sind nicht rosig; doch es hält wenigstens Realismus Einzug in die Köpfe einiger Politiker

Asien: Die nächsten 25 Jahre werden das Zeitalter Chinas sein. Die 25 Jahre danach wahrscheinlich Indiens. Das ist die Sicht des ehemaligen stellvertretenden Außenminister Japans, Hitoshi Tanaka

Philantropen: Die Superreichen besitzen nicht nur Milliarden-Vermögen, sondern sie spenden auch Milliarden Dollar für wohltätige Zwecke. Microsoft-Gründer Bill Gates ist mit seiner Frau einer der engagiertesten Wohltäter

----------------------------------------------

Als Leser vom "PR-Journal"/"agenturcafé" können Sie kostenlos zum Kennenlernen drei Ausgaben von ETAGE MediaSelection über die E-Mail etage@pr-journal.de direkt formlos bestellen. 

Seitennavigation