Kommentare Kerlikowskys Kommentar über... staatliches Schnüffeln in persönlichen Daten

Foto: KerlikowskyGuten Tag! Die Überraschung war groß für die Autobesitzerin aus dem Berliner Umland, als sie auf ihrem Mobiltelefon von der Polizei angerufen wurde. Diese teilte ihr mit, sie hätte in Berlin ihren Autoschlüssel im Wagen stecken lassen. Die Überraschung für sie bestand nicht in der Information, sondern daß die Polizei ihre Mobiltelefonnummer hatte; denn sie hatte keinen Vertrag mit einer Telefongesellschaft, sondern nur ein Handy mit einer Prepaid-Karte.

Der zweite Schock kam für sie wenige Tage später. Ihr Sohn, Student in Berlin, hatte Bafög beantragt. Die Behörde wies den Antrag ab, weil er Zinseinnahmen nicht angegeben hätte, die man bei einer Kontoabfrage entdeckt habe. Es handelte sich um Zinsen für seine Mietkaution, über die er nicht verfügen kann. Das sah selbst die Bafög-Stelle ein. Bis dahin hatten Mutter und Sohn geglaubt, nur das Finanzamt mache Jagd auf Steuersünder, weil die Staatskassen leer sind. Inzwischen wissen sie, daß auch Mitarbeiter von Arbeitsagenturen, Sozialämtern und anderer Behörden Zugriff auf Konten und persönliche Daten haben.

Die bundesdeutschen Behördenmitarbeiter übertreffen längst in der Überwachungsintensität die Stasi-Schnüffler. Die Chips machen es möglich. Der Anschlag vom 11. September auf das World Trade Center und der „Kampf gegen den Terror“ rechtfertigen nach Meinung von Politikern und ihre Helfer in den Behörden jede präventive Maßnahme. Der Satz in unserem Grundgesetz, „das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich“, ist ohnehin nur eine nette Floskel, heißt es doch im nächsten Absatz: „Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt“. Die garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung ist mit ähnlichen Formulierungen ebenfalls nur noch eine Floskel.

Von seinen Überwachungsmöglichkeiten macht der Staat reichlich Gebrauch. 35.000 Mobilfunkanschlüsse und 5.400 Festnetztelefone wurden 2005 mit richterlicher Genehmigung abgehört; das waren 24 Prozent mehr als 2004. Die EU beschloß im Dezember, die Speicherung von Handy-, Internet- und E-Mail-Daten massiv auszuweiten – auf Kosten der Telekommunikationsgesellschaften und damit deren Kunden. 450 Millionen EU-Bürger stehen also generell unter Verdacht, gegen Gesetze zu verstoßen. Die Datenmenge beträgt täglich ca. 640.000 CDs (Süddeutsche Zeitung, 13.609.11). In Bayern darf die Polizei ab 2005 noch lückenloser und umfangreicher überwachen. Telefone und Handys dürfen präventiv angezapft werden. Der Landtag beschloß im Dezember mit der CSU-Mehrheit die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes.

Daß wir Bürger uns nicht lautlos die Freiheitsrechte nehmen lassen, das hofft für uns alle Ihr

Dr. Horst Kerlikowsky
Berlin, den 05. Mai 2006

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P.S. Sie finden in dieser Ausgabe unter anderem folgende Themen:

Messen: Die Gesellschaften kommen unter Druck, da sich mit dem Wandel der Wirtschaft auch
die Messekonzepte ändern müssen

Online-Shopping: Immer mehr Deutsche kaufen Online ein; doch viel mehr nutzen das Internet,
um Produkt- und Preisvergleiche zu erhalten

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