Tipps & Lesehinweise Der Werbeäquivalenzwert sollte sich längst überlebt haben

Mit dem Start des Unternehmens asset:vision ist ein weiterer Wettbewerber in den speziellen Markt für Medienresonanzanalysen und PR-Controlling eingetreten. Grund genug für uns, mit dem Inhaber Volker Weber (38) über das Dauerthema Evaluation von Medienarbeit und den heftig umstrittenen Werbeäquivalenzwert zu sprechen.

PR-Journal: Herr Weber, Sie verwenden in Ihrem Analyse-Unternehmen asset:vision den Begriff „Publizitätswert“ anstelle von „Werbeäquivalenzwert“ - ist das neuer Wein in alten Schläuchen?

weber, volkerVolker Weber: Nein, denn wir distanzieren uns methodisch ganz bewusst vom Werbeäquivalenzwert als qualifizierte Kennzahl für Medienarbeit. Die platte Formel „Anzeigenpreis mal PR-Faktor“, vielleicht noch pauschal mit positiv oder negativ bewertet, wird aus unserer Sicht den inhaltlichen Ansprüchen an eine systematische PR-Evaluation in keiner Weise gerecht und ist für die Bewertung der redaktionellen Qualität eines Beitrages, oder gar ganzer Berichtszyklen, völlig ungeeignet. Unser Bewertungsmodell des Publizitätswertes legt den Fokus sehr viel deutlicher auf die werttreibenden, oder eben auch wertvernichtenden, Kriterien der Berichterstattung.

Aber als Berechnungsbasis für den redaktionellen Publizitätswert verwenden Sie ebenfalls den Werbepreis eines Mediums. Wie passt das zusammen?

Sehr gut, denn der Werbepreis als solcher sagt grundsätzlich viel über die Qualität und die Begehrtheit eines Mediums aus und ist damit natürlich auch eine wichtige Messlatte für die Medienarbeit. Und wer für sein Reporting ökonomisch darstellbare Werte benötigt, braucht dafür schlicht auch eine Berechnungsgrundlage.

Und mit Ihrer Bewertungsmethode glauben Sie, den Stein des Weisen in der Evaluation von Medienarbeit gefunden zu haben?

Das würde ich nie behaupten, schließlich greift auch unser Modell auf etablierte Methoden und Erkenntnisse zurück. Es ist ein Bewertungsmodell, eben jenes von asset:vision. Aber ich bin überzeugt davon, hier einen für viele Unternehmen gangbaren und durchsetzungsfähigen Weg der ökonomisch orientierten PR-Evaluation definiert zu haben, denn eines hat diese Methode ganz gewiss: die bewusste Distanz zum willkürlichen Wertetreiben, um tolle Medienergebnisse vorzugaukeln. Unser Berechnungsmodell ist realitätsbezogen und objektiv. Wenn Unternehmen am Ende einer Berichtsperiode einen konsolidierten Publizitätswert erzielt haben, der unterhalb des vergleichbaren Werbewertes, aber dennoch deutlich im Plus liegt, dann ist das nicht nur sehr realistisch, sondern auch eine glaubwürdige Kennziffer gegenüber einem kritischen Vorstand.

Wozu braucht man überhaupt ökonomische Werte in der PR-Evaluation?

Aus drei Gründen: Erstens ist ein ökonomischer Wert wie der Publizitätswert eine stark verdichtete Aussage, also eine Spitzenkennzahl. Die lässt sich wiederum im Bereich des PR-Controllings, zum Beispiel in einer PR spezifischen Balanced Scorecard, hervorragend integrieren. Über einen derartigen Steuerungsansatz bekommen PR-Fachleute einen ganz neuen Hebel, um die Bedeutung der Kommunikation für den Unternehmenserfolg darzulegen - und Medienarbeit ist und bleibt auf Dauer ein sehr wichtiges Element darin.
Zweitens entsteht dadurch eine über einen langfristigen Zeitraum vergleichbare Größe, die Sie auch auf einzelne Unterfragen zur durchgeführten Medienarbeit herunterbrechen können. Damit werden die Leistungen der gesamten Presseaktivitäten sowie ihrer einzelnen Teilaspekte grundsätzlich bewert- und steuerbar.
Und drittens dürfen Sie die entscheidende interne Zielgruppe Vorstand nicht vergessen. Mit einer ökonomischen Kennzahl führen Sie eine Übersetzungsleistung durch, die Manager gut einordnen können.

Aber ihre Bewertungsmethode ist ebenfalls rein subjektiv!

Methoden sind immer subjektiv. Nehmen Sie die Berechnung von Markenwerten. Je nach Modell haben Sie im gleichen Bewertungszeitraum völlig voneinander abweichende Kennzahlen für ein und das selbe Unternehmen. Welche Größe ist dann die richtige? Entscheidend ist, dass ein Unternehmen sich langfristig für ein Modell entscheidet, damit es im Jahresverlauf das Delta auch vergleichen kann und so die richtigen Schlüsse zieht. Insofern ist der absolute Wert am Ende einer Publizitätswertberechnung vielleicht nur sekundär, zumal dieser ja keine echte Amortisation ist. Er ist eine Steuerungsgröße. Aber die Glaubwürdigkeit der Methode als solche und welches Steuerungspotenzial diese entfalten kann, sind wichtig. Und in diesen Punkten liegt unser Modell sicherlich ganz weit vorn.

Wäre es für die Glaubwürdigkeit der Branche nicht trotzdem besser, eine etablierte Standard-Methode wie den Werbeäquivalenzwert, einzusetzen?

Nichts spricht gegen Standards. Aber sie müssen eine hohe Qualität haben, wie zum Beispiel im Bereich des PR-Controllings die Balanced Scorecard ein solcher Standard werden könnte.  Der Werbeäquivalenzwert hingegen hat fundamentale Schwächen. Dieses Bewertungsmodell sollte sich längst überlebt haben.

Warum wird dieser dann trotz seiner Mängel noch so häufig genutzt?

Er ist bekannt, er ist sehr einfach zu ermitteln und daher auch sehr einfach zu erklären. Das kann bei Reportings ein Vorteil sein.

Wäre es nicht überhaupt sinnvoller, eine Methode zu entwickeln, die dem Vorstand die sogenannten ‚Soft-Factors‘, wie zum Beispiel die Netzwerkpflege, die guten Beziehungen zu Journalisten, die Vermeidung von zu kritischen Beiträgen in Krisenzeiten, besser erklären hilft?

Natürlich spielen gerade in der Kommunikation weiche Faktoren eine entscheidende Rolle. Aber genau hierzu liefert Ihnen der Publizitätswert wichtige Informationen. In Krisen zum Beispiel dadurch, dass der publizistische Schaden geringer ausfällt als bei vergleichbar anderen Fällen, oder dadurch, dass Ihr persönliches Netzwerk langfristig einen höheren Nutzen erzielt als der Durchschnitt. Da der Publizitätswert insbesondere redaktionelle Wertreiber berücksichtigt, lässt sich die Qualität des Netzwerkes auf Dauer genau daran ablesen. Entscheidend ist, die Kommunikation strategisch zu planen und auch durch systematische Evaluation langfristig zu steuern. Aus meiner Sicht ist PR-Strategie in der Praxis vielfach immer noch ein sehr taktisch geprägtes Tagesgeschäft - auch oder gerade deshalb, weil ein systematisches Steuerungsinstrument fehlt. Aber am Ende des Tages muss ich als Kommunikationsmanager heute in der Lage sein, meinem Vorstand zu sagen, was all der Aufwand für das Unternehmen denn nun gebracht hat. Eine stichhaltige ökonomische Kennzahl liefert da sehr gute Argumente.

Herr Weber, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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