Termine Litigation: Netzwerkkommunikation - Chancen nicht nur für Unternehmensjuristen

Beim Syndikus-Summit 2010, veranstaltet vom Fachmedium "Betriebsberater" und The Conference Group diskutierten über 100 Unternehmensjuristen, Anwälte und Partner von Unternehmensberatungen das Jahresthema „Schwierige Zeiten für Unternehmen und die Rechtsabteilung? – Herausforderungen und Chancen für Unternehmensjuristen“. Bei der Eröffnung brachte Sebastian Biedenkopf von der Conergy AG, Hamburg, es auf den Punkt, dass ein Unternehmensjurist in seinem Selbstverständnis heute ein Risikomanager und Interessenkonfliktlöser sein müsse. Dass der Weg dahin noch sehr weit sein kann, wurde aus den pointierten Thesen der Personalberaterin Astrid Tostmann zum Anforderungsprofil an Inhouse-Juristen klar: Persönlichkeitsmerkmale wie Führungs- und Kommunikationsfähigkeit und Vertrautsein mit dem täglichen operativen Geschäft sowie eine hohe soziale Kompetenz mit interaktiver Team-Orientierung sind die Erfolgsfaktoren der Zukunft.

Das alte von juristischen Prädikatsexamen und vier Jahren Anwaltskanzlei oder einer „inhouse-Notlösung“ geprägte Praxisprofil sei endgültig passé. Der Unternehmensjurist habe durch seine Aufwertung auf Augenhöhe mit dem Management auch eine stärkere Abgrenzung zur Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei erfahren.

Nicolai von Ruckteschell, Senior Vice President and General Counsel der Deutschen Lufthansa AG, Frankfurt am Main, war sich mit Tostmann einig: Die Reputation des Juristen leitet sich nicht mehr (nur) vom Staatsexamen ab, sondern beruht vielmehr verstärkt auf seiner Beratungstätigkeit, zum Beispiel in der Zuständigkeit des Chefsyndikus für Compliance-Maßnahmen.  Mediator, Schlichter und Ausgleichender in Gesprächen und Verhandlungen seien im Büro an die Stelle der Statussymbole der Anwaltsvisitenkarte und der Robe getreten. Um an der Lösung von Problemen teilhaben zu können, sei Spezialwissen und 24-stündige Erreichbarkeit gefordert.

Allgemein war eine überraschende Wissens- und Diskussionsvertiefung z.B. bei den Brennpunkten Litigation und Litigation-PR zu beobachten. Diese Themen haben sich innerhalb nur eines Jahres als Marktchancen nicht nur für Juristen, sondern auch für ein juristisch-mediales Netzwerk durchgesetzt. Dies ist nicht zuletzt dem Forum des Betriebsberaters auf seiner Syndikus-Jahrestagung zu verdanken.

Christian Rau, Chief Legal Officer, The Linde Group, München, und sein Mitarbeiter G. Gregory Schuetz, Head of Global Litigation and Dispute Resolution, bei Linde in New Jersey beschrieben in einer lebendigen Präsentation die Praxis des amerikanischen Ursprungs von Litigation, Arbitration und Mediation. Anhand des Linde-Modells stellten sie Litigation und Litigation-Management als Aufgabe ihrer Rechtsabteilung dar.

Tobias Gostomzyk, Senior-Berater, KSB INTAX, Hannover, bezeichnete sich selbst als Grenzgänger zwischen Recht und Kommunikation. Er schilderte die Bedeutung des medienrechtlichen Reputationsschutzes für Unternehmen. Das sei auch beim Deutschen Anwaltstag deutlich zu spüren gewesen. Rechtlicher Reputationsschutz spiele sich auf vielen Feldern ab, im Arbeitsrecht oder im Rundfunkrecht und auch, nicht zu vergessen, in der neuen Welt des Web 2.0. Anhand von Fallbeispielen über das prozessuale Verhalten des DFB-Präsidenten Zwanziger (ehemaliger Verwaltungsrechtler) bis hin zum „Tatzenfall“ Jack Wolfskin wurde deutlich, daß Reputation durch juristische Prozesse allein kaum zu erreichen oder zu schützen ist.

Aus PR-Sicht war der zugleich spannendste und aufschlußreichste Redner Uwe Wolff, Geschäftsführer, NAIMA Strategic Legal Services GmbH, Berlin. Sein Thema: Litigation-PR als strategisches Instrument bei juristischen Auseinandersetzungen. Mit seiner zehnjährigen USA-Erfahrung u.a. als Leiter des Focus-Büros in New York nimmt Wolff für sich in Anspruch, den Begriff „Litigation“ in den Jahren 2001 und 2002 nach Deutschland gebracht zu haben. Er definiert seine Tätigkeit als strategische Rechtsberatung mit komplexen Kommunikationsstrategien in engster Zusammenarbeit mit dem Anwalt und der Beschaffung von für den Fall wichtigen Informationen. Den Ausgang einer juristischen Auseinandersetzung beeinflußt der „Gerichtshof der Öffentlichkeit“, unterstützt durch Visualisierung, Powerpoint-Präsentationen im Gerichtssaal, durch Staranwälte und Medienbeschuß rund um die Uhr. „Das riesige Medienmonster hat Hunger.“ „Es gibt erst wenige Spezialisten. Aber alle anderen reden mit.“

Es gehe vor allem darum, die eigene Reputation zu schützen und beim Kontrahenten die Voraussetzungen für einen Vergleich zu schaffen. Auch auf die manchmal „rausplärrende“ Staatsanwaltschaft kann ein indirekter Einfluß durch Fakten in der Öffentlichkeit gewonnen werden. PR öffnet die Schleusen zum Menschen. Der Unterschied der Litigation-PR zur Krisen-PR? „Litigation-PR ist die kleine und schlauere Cousine der Krisen-PR.“ Früher galt der Spruch „Wenn Du ein Projekt töten willst, gehe in die Rechtsabteilung.“ Die Angst der Juristen vor den Medien war sprichwörtlich.

Heute gibt es bereits den Medienjuristen, der sich strategischer Rechtskommunikation bedient. Wolff sieht die Hauptaufgabe seiner NAIMA in der Prävention, darin, sich in die Rolle des stärksten Gegners versetzen zu können, in intensiven Medienanalysen, in der Szenarienentwicklung, in Case Intelligence, der Formulierung von Kernforderungen, der Fähigkeit, Prozesse am Köcheln zu halten und in der Erarbeitung von Kommunikationsereignissen. Also Einschaltung einer PR-Agentur? Nein danke! Eher Zuziehung eines externen Strategie-Denktanks mit operativer Beratungs- und Durchführungskapazität – auch in Brüssel.

Fazit: Der vierte Syndikus-Summit war in Referenten und Themen eine aktuelle Hochdruckbetankung. Er zeigte deutlich, wie sich innerhalb eines Jahres große, nach vorn schauende Veränderungen abzeichnen. Der fünfte Syndikus-Summit 2011 wird sich an den Erfolgen der vorausgegangen Foren messen lassen müssen.

Wolfgang Reineke, Heidelberg

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