Branche Der schöne Schein des Krieges: Das neue Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden ist eröffnet

Alles ist für eine gute Party vorbereitet. Eine perfekt designte Location. Mit Daniel Libeskind kümmert sich ein internationaler Spitzenarchitekt um das richtige Look & Feel und mediale Aufmerksamkeit. Ein 60 Mio. Euro schwerer Etat, mit dem man wirklich etwas anfangen kann. Und mit Dresden nicht zuletzt ein prominenter Standort, der wie kaum ein anderer in Ort in Deutschland Synonym für die zerstörerische Gewalt des Krieges ist. Am vergangenen Wochenende öffnete unter großer Anteilnahme von Bevölkerung, politischer Prominenz und Medien das neue Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHM) in der Dresdner Albertstadt, ehemals eine der größten Kasernenanlagen in Deutschland.

Nach Aussage des Historikers Gorch Pieken, der für die inhaltliche Ausstellungskonzeption des MHM verantwortlich zeichnet, soll das erste gesamtdeutsche Militärmuseum helfen, „die Akzeptanz der Bundeswehr in der Gesellschaft zu verbessern“, ohne ein Loblied auf den Gewaltverzicht zu singen. Denn nach Aussagen von Gorch Pieken gegenüber dem SPIEGEL, ist der Pazifismus keine unschuldige Position. Der unterlassene Krieg kann genauso verwerflich sein wie der Krieg. Die Ausstellung zeigt für Pieken, mit welchem Leid Militäreinsätze verbunden sind, aber sie erklärt auch, dass sie mitunder notwendig sind (SPIEGEL Online 05.07.2010).

Das Statement macht deutlich, dass das neue Museum zwei Ziele hat. Zum einen ist es als „exhibition event“ ein Image verbesserndes PR-Instrument der Bundeswehr. Zum anderen soll es die Notwendigkeit militärischer Einsätze zeigen, ohne die tödlichen Seiten des Krieges zu verschweigen. Besonders vor Hintergrund der historischen Erfahrungen Deutschlands als Auslöser zweier Weltkriege eine besonders schwierige Gradwanderung. Kann so ein ambitioniertes Vorhaben gelingen? Nach einer dreistündigen Besichtigungstour durch tausende – perfekt inszenierte – Exponate muss man unbedingt des Hut ziehen, dieses Vorhaben gewagt zu und sich auf eine kritische Auseinandersetzung eingelassen zu haben.

Doch wie weit diese Kritik gehen darf, bestimmt bei einem PR-Instrument meistens der Absender, er definiert den Rahmen, liefert die Argumente und Statements auf die er sich gerne einlassen möchte. Und da wird es schwierig. Denn worin die ultima ratio militärischen Handelns wirklich liegt, beantwortet die Ausstellung leider nicht. Die radikalen Brüche, die durch die Architektur Liebeskinds auch als Hausaufgabe an die Bundeswehr vorgegeben sind, werden als Leitthema im Museum nicht mehr konsequent aufgenommen. Daniel Libeskind hatte das alte Gebäude, aufbohrt, aufgesägt, aufgefräst, um ein aufsehenerregendes Stahlimplantat einzupflanzen. Vielmehr verstecken sich historischen Brüche hinter zahllosen Ausstellungsstücken – von der V2-Rakte bis zum Ein-Mann-Torpedo – und multimedialen Erlebnis-Stationen. Dabei ist das Museum keine reine Waffen- und Leistungsschau, dafür ist die Ausstellung zu offen angelegt.

Aber was der Krieg in seiner letzten Konsequenz bedeut, worin das Wesen moderner Kriege bestehen, welchen Gewaltcharakter Kriege der Gegenwart auch gegenüber der Zivilbevölkerung haben, mit welchen Mitteln Kriege der Zukunft geführt werden und wie Kriege vor allem vermieden werden können, diese wichtigen Fragen bleiben letztlich unbeantwortet. Sie wären aber Voraussetzung für einen wirklich kritischen Dialog mit der Öffentlichkeit gewesen. Dazu gehört auch die Frage, welche Rolle – Koordination, Logistik, Aufklärung, Beteiligung an Kampfhandlungen – die Bundeswehr bereits heute bei militärischen Einsätzen weltweit spielt und spielen möchte.

Die Bundeswehr kann sich in ihrer heutigen Form auch schwierigeren Fragen offensiv stellen, etwa nach der aktiven Beteiligung deutscher Soldaten beim Völkermord an den europäischen Juden oder den Hereros. Sie sollte es auch tun, denn es ist nicht nur ein untrennbarer Teil deutscher Militärgeschichte, sondern letztlich auch eine Frage aufklärerischer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und künftigen (Soldaten-)Generationen. Eine Empfehlung kann man jedoch mit bestem Gewissen geben: Wer sich eine eigene Meinung bilden will, sollte sich das MHM bei seinem nächsten Besuch in Dresden unbedingt anschauen. Das Museum ist noch jung, der Dialog hat erst begonnen.

Oliver Jorzik, ADD PR, Berlin

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