Kommentare Wahlkampfkritik CDU 2005: Ehrlich! Merk(el)-würdig

Foto: Reineke

Vor etlichen Monaten fiel mir bei einem Vortrag des Peter Hartz über seine Ideen die Häufung des Wortes "eigentlich" auf.

Ähnlich häufig benutzt unsere Kanzlerin das Wort "ehrlich". Sollte das so weitergehen, wird "ehrlich" wohl bald die inhaltsschwere Bedeutung von "äh" oder "cool" erlangen. Mit Genuß habe ich Christoph Schwennickes Ausführungen vom 06. Dezember in der Süddeutschen Zeitung zum Kritik-Event der CDU am 5. Dezember gelesen: "Beschränkte Wahrheit".
Auszug: "Der Wahrheitsausschuß, in den sich der CDU-Bundesvorstand für einen Tag verwandelte, war eine groteske Veranstaltung…..Den Herrschaften fiel schon eine Menge dazu ein. Was noch fehlt im Kanon sei kurz nachgereicht: der Klimawandel, die Sonntagsspiele der Bundesliga, oder aber der Mond stand ungünstig zum Saturn in der Nacht vom 17. auf den 18. September."

Was Schwennicke dann aber als Kern des Wahlergebnisses vorstellt, geht mir entschieden zu weit: Angie sei für viele Wähler der Grund, nicht Union gewählt zu haben. Vielleicht für einige, aber nicht für viele, selbst dann wenn es um Brutto/Netto oder ihren Überraschungsgast Paul Kirchhof ging.

Der Generalsekretärskandidat Pofalla hat schon recht: "Der Wahlkampf der Ehrlichkeit ist alternativlos." Aber jetzt will Angela Merkel am 5.12. festgestellt haben, daß der generelle Vertrauensverlust in die Politik eine wichtige Rolle gespielt habe. Was für Geistesriesen haben ihr denn dieses Kärtchen untergejubelt? Schon die "überraschenden" SPD-, FDP- und PDS-Ergebnisse verleihen einer solchen Analyse das Prädikat "falsche Tatsachenbehauptung".

Wenden wir uns also lieber einer professionelleren Betrachtung zu:

1. Die "anderen" hatten die informierteren Agenturen durch ständigen Augen- und Ohrenkontakt mit den Wählern und den Spitzenkandidaten.

2. Statt klarer Appelle an die Nachhaltigkeit einer Opferbereitschaft wie bei der Tsunami-Katastrophe oder dem Blut-, Schweiß- und Tränenbeispiel der Churchill-Rede wirkte das schon jetzt (wieder?) überholte Grundsatzprogramm der CDU eher wie das Handbuch eines Feldlazaretts zur Vorbereitung auf Amputationen.

3. Statt soziale Dialogkompetenz mit klaren und knappen konservativ-liberalen Definitionen einer Volkspartei aufzuweisen, ging die notwendige rhetorische Umsetzung im Kauderwelsch unverständlicher Leerformeln und überdeutlicher Zielkonflikte unter.

4. Durch den kurzatmigen Einsatz mit anschließendem Abrücken von und schließlich Mäkeleien an dem einzigen kreativen Seiteneinsteiger Prof. Kirchhof entstand zusätzlich der Eindruck der Feigheit. Einen Freund und Leistungsträger läßt man nicht allein im Regen stehen. Bei der FDP wäre Paul Kirchhof das wohl nicht passiert.

Zusammengefaßt:
- Das "Wofür stehen wir als CDU" ging in platten Slogans verloren.
- Die richtungweisenden Themen gingen in permanenter Fliegenbeinzählerei unter.
- Die Agenda-und Themenwahl der Wähler ist entscheidend.
- Du erhältst im Wahlkampf keinen Fairnesspreis.
- Situative Schnelligkeit ist gefordert.
- Das Internet ist zum hochaktuellen Kommunikationskanal geworden.
- Strategie allein genügt nicht.
- Für Klarheit sorgen: Den Wähler fragen und einfache Botschaften formulieren.

Fazit:
Dieser Wahlkampf der CDU war kein starker Beitrag zur politischen Willensbildung des Volkes. Wer jetzt zwei Jahre lang über das erwünschte eindeutige Grundsatzprogramm diskutieren will, sollte sich einmal fragen, ob das auch für die in Kürze anstehenden Landtagswahlen wahlentscheidend ist. Adenauer hätte gesagt: "Stetigkeit, Stetigkeit und noch einmal Stetigkeit." Oder rheinisch: Et is jerade noch mal jut jejangen.


Heidelberg, den 8. Dezember 2005
Wolfgang Reineke

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