Kommentare Kerlikowskys Kommentar über... Moral bei Wirtschaftsentscheidungen

Foto: KerlikowskyGuten Tag! Mehr als 3.000 Beschäftigte der Allianz-Gruppe beteiligten sich am Dienstag an Demonstrationen gegen Entlassungen, unterstützt von Gewerkschaften und Lokalpolitikern. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) sammelte Beifall mit den Worten: „Der Konzern hat Milliarden an Gewinn gemacht und entläßt seine Mitarbeiter. Das halte ich für unmoralisch“. Es ist tatsächlich schwer zu vermitteln, daß 5.000 Stellen wegfallen sollen, wenn im Vorjahr ein Gewinn von über vier Milliarden Euro nach Steuern erzielt worden ist. Sind die Allianz-Vorstände also tatsächlich unmoralisch? Der Vorstandssprecher der Allianz Deutschland AG, Gerhard Rupp, rechtfertigt die Entlassungen damit, daß die Gesellschaft in den letzten drei Jahren eine Million Kunden verloren hat. Er weist außerdem darauf hin, daß mit dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart worden sei, in dem für die nächsten eineinhalb Jahre, allerdings unter einigen Bedingungen, betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen seien. Die Gewerkschaft dagegen fordert, auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2012 zu verzichten. Welch hohe Abfindungen bei Entlassungen gezahlt werden und daß großzügige Betriebsrentenansprüche bestehen, darüber wird nicht gesprochen.

Da stellt sich die Frage, sind die Forderungen der Gewerkschaft nicht unmoralisch, denn bei jedem Unternehmen gibt es nicht nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer (teilweise ungewollt von Gewerkschaften vertreten), sondern auch Kapitalgeber und Kunden. Vor allem die Kunden werden – und da ist die ganze Versicherungsbranche ein Musterfall – meist vergessen. Über Jahre waren sie die Melkkühe für das Wohlergehen der Mitarbeiter. Es gibt keine Branche, in der so viele verschiedene freiwillige Sozialleistungen gezahlt worden sind. Im Vergleich zu anderen Branchen hohe Betriebsrenten, niedrig verzinsbare Darlehen, Urlaub in betriebseigenen Erholungsheimen zu Niedrigpreisen und anderes mehr. Erst in den letzten Jahren hat sich, nicht zuletzt durch die von der EU verlangten Marktöffnungen, der Wettbewerb verschärft. Dazu kam, daß Versicherungsgesellschaften durch den Wertverfall vieler Aktien- und Immobilienanlagen unter finanziellen Druck gerieten.

Wenn unmoralisch von Vorständen gehandelt wurde, dann durch ihre Großzügigkeit gegenüber ihren Mitarbeitern auf Kosten der Kunden. Irgendwann, nämlich in wirtschaftlich schwächeren Zeiten, ist diese Großzügigkeit nicht mehr durch höhere Prämien im Markt durchzusetzen, die Versicherungsgesellschaft macht Verlust Ihr

Dr. Horst Kerlikowsky
Berlin, den 30. Juni 2006

Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus (Copyright: Dr. Horst Kerlikowsky): Media Selection - ein Dienst von ETAGE Chef-Information. Weitere Infos und Abo-Bestellung bei Dr. Horst Kerlikowsky; Telefon: (030) 3 27 52 10 oder (089) 39 02 12; Telefax: (030) 3 27 53 67; E-Mail: MediaSelection@t-online.de; URL: www.etage-info.de.


P.S. Sie finden in dieser Ausgabe unter anderem folgende Themen:

Entlassungen bei der Allianz: Die Frage, wer unmoralisch handelt

Steuern: Eichel hätte die Mehrwertsteuer noch mehr angehoben

Berliner Feste: Politiker laufen überall hin, wo eine Kamera steht

Autoindustrie: Japaner fahren bei der Formel 1 hinterher, bei Hybrid-Motoren sind sie vorn

----------------------------------------------

Als Leser vom "PR-Journal"/"agenturcafé" können Sie kostenlos zum Kennenlernen drei Ausgaben von ETAGE MediaSelection über die E-Mail etage@pr-journal.de direkt formlos bestellen. 

Seitennavigation