Autoren-Beiträge Wie mache ich meinen Agenturchef, meine Kunden, mein Team glücklich und behalte meinen Job?

Foto: Hajo Neu8. und letzte Folge: PR-Verantwortlicher in einer Agentur
oder: Wie mache ich meinen Agenturchef, meine Kunden, mein Team glücklich und behalte meinen Job?
Abstract aus „Public Relations: Die besten Tricks der Medienprofis“ von Hajo Neu / Jochen Breitwieser; Businessvillage-Verlag, September 2005

In jeder Kunde-Agentur-Beziehung (und tatsächlich auch in vielen Verhältnissen zwischen CEO und Pressesprecher) kommt irgendwann der Moment, wo man ein Wörterbuch benötigt. Hier einige Beispiele für Aussagen, bei denen Sie sofort aufmerken und nachhaken sollten – und einige Interpretationen, die sich in der Vergangenheit als hilfreich erwiesen haben.

"Der Vorstand möchte, dass wir mit unserer Pressearbeit aggressiver werden.”
Diesen Satz kann man eigentlich nur hassen, weil man ihm hilflos ausgeliefert ist. Sie selbst haben an der ursprünglichen Diskussion mit dem Vorstand nicht teilgenommen, Sie haben keine Ahnung (und man wird Ihnen auch nie die entsprechenden Details geben), woher diese Auffassung kommt und was die Erwartungen sind. In der Regel ist Folgendes passiert: Ein Vorstandsmitglied hat auf dem Weg zu Freunden an einer Raststätte in Gelsenkirchen die „Buersche Zeitung“ gelesen. In deren Lokalteil fand sich ein Bericht über die Branche des Vorstandsmitglieds, in dem das eigene Unternehmen nicht erwähnt wurde. Daraus wird gefolgert, dass die PR-Agentur zu passiv bei der Bearbeitung der Medien war. Glücklicherweise kann diese Auffassung schnell und leicht korrigiert werden: Lancieren Sie einen Artikel (der am besten ein Zitat des Vorstandsmitglieds enthält) in der „Buerschen Zeitung“. Folge: Das Vorstandsmitglied und vermutlich auch alle anderen Vorstandsmitglieder werden wieder beruhigt sein.

„Wir sind auf der Suche nach einem PR-Partner, der bereit ist, in uns zu investieren und uns als Etat mit Potenzial behandelt.“
Diesen Satz hören Sie als Agentur-Mitarbeiter vorzugsweise vom CEO oder Bereichsleiter für Marketing eines Start-Up. Frage dazu: Sind Sie eine PR-Agentur oder ein Venture-Capital-Unternehmen? Die Interpretation dieses Satzes hängt auch davon ab, wie er ausgesprochen wird. Eine eher fahrige Aussprache bedeutet, dass der CEO nicht an PR glaubt, dass es in Wahrheit keinen Bereichsleiter für Marketing gibt und dass der Verantwortliche für Vertrieb und Sales um Luftunterstützung durch die PR-Auxiliartruppen gebeten hat. Ist der Ton der Unterhaltung eher verschwörerisch, können Sie davon ausgehen, dass das Unternehmen eine recht hohe „cash burn-rate“ hat und ihm langsam aber sicher das Geld ausgeht.

„Sie müssen sich dieses PR-Konzept in etwa so vorstellen wie die ´Intel Inside´-Kampagne.“
OK, hier liegt ein klarer Fall von Realitätsverlust vor. Wer so etwas sagt, legt die Latte wirklich hoch und erwartet, dass die PR-Botschaften von der Wirtschaftswoche bis hin zu den letzten Anzeigentafeln auf Norderney zu finden ist. Und in so einem Fall sollten Sie eine clevere Antwort auf Lager haben. Holen Sie tief Luft und bedenken Sie, dass es nicht ganz leicht ist, jemanden von einer solchen Position herunterzuholen. Ein guter Anfang  könnte sein, dass sie ganz beiläufig nachfragen, ob das Unternehmen wirklich bereit ist, 200 Millionen Dollar in Anzeigen zu investieren, um die Kampagne angemessen zu unterstützen. Als nächstes müssten Sie herausfinden, ob das Unternehmen einen erstrangigen Industriezweig dominiert, dessen gesamte Marktgröße mehrere Zillionen Euros übersteigt. Sollte Ihr Gegenüber immer noch auf seinem Vergleich bestehen, wird es Zeit für Sie, über eine Risko/Nutzen-Analyse dieser potentiellen Geschäftsbeziehung nachzudenken.

„Wir haben keine Konkurrenz oder Wettbewerber.“
Das ist ein weiterer dieser Sätze, bei dem es sehr darauf ankommt, wie er ausgesprochen wird. Klingt er besonders selbstsicher, bedeutet das ganz einfach, dass das Unternehmen seinen Markt so eng definiert hat, dass sich schlicht kein Wettbewerber (und vermutlich auch kein Journalist) dafür interessiert. Wird der Satz dagegen mit demselben Ausdruck in den Augen ausgesprochen, den auch Bambis Mutter hatte, sollten Sie rennen. Denn das bedeutet nichts anderes, als dass der Kerl, der Ihnen gegenübersitzt, wirklich glaubt, Industrie und Medien würden sich dem frommen Wunsch seiner Firma schon anschließen. In diesem Fall bleibt Ihnen eigentlich nur noch, sich durch überzogene Preisvorstellungen aus der Affäre zu ziehen. Eleganter ist es allerdings, wenn Sie sich verabschieden, indem Sie „erkennen“, dass Ihre Agentur derzeit leider nicht die nötigen Kapazitäten für ein Projekt solcher Tragweite anbieten kann.

„Es ist Zeit, unsere PR auf die nächste Ebene zu heben.“
Fangen wir doch mal mit der “nächsten Ebene” an. Wo genau liegt denn diese „nächste Ebene“ überhaupt? Nach Studium der Karten und einigen Anrufen beim ADAC – die Mitgliedschaft ist eben doch für was anderes als Abschleppen gut – ist klar: die „nächste Ebene“ ist ein Basislager knapp unterhalb des Zugspitzgipfels. Dort soll von nun an die PR geplant werden? Wohl kaum. Stattdessen will man Ihnen schonend beibringen, dass das PR Programm bisher leider nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. Und wenn sich das nicht in kürzester Zeit ändert, werden Sie sich in der Rolle des Verteidigers bei einer überraschend schnellen Ausschreibung des Etats wiederfinden.

Seitennavigation