Branche DPRG-Gala-Splitter: Verharren im Kästchenkäfig?

Impressionen vom "Internationalen Deutschen PR-Preis 2009" am 2. Oktober im Wiesbadener Kurhaus (nach mutiger Eigeneinschätzung "die höchste und renommierteste Auszeichnung der PR-Branche im deutschsprachigen Raum"). Das Thema „international“ außerhalb der deutschsprachigen Länder gab’s nur am Rande. Michael Kalthoff-Mahnke, kommissarischer DPRG-Geschäftsführer, denkt für das kommende Jahr an Veranstaltungen für international arbeitende Firmen; die erste ist für Hamburg geplant. Die EU der 27 gibt es ja schließlich auch erst seit 2004.

Gefeiert wurde die „großartige Inszenierung eines CEO-Wechsels“, wofür es den Image Award des FAZ-Institus gab. PR neuerdings als von langer Hand geplante Theateraufführung? Das wird dem gelungenen Wechsel in Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitz von Henkel wohl kaum gerecht. Simone Bagel-Trah, Urenkelin des Gründers Fritz Henkel (die Bagels kamen als hugenottische Einwanderer nach Düsseldorf – also ein Beispiel für gelungene Integration von Migranten), der Däne (int’l!) Kasper Rorsted und Kommunikationschef Martin Kuhnert  haben den inneren Wandel in seiner Geschwindigkeit an den äußeren angepaßt.

Das war die Leistung eines Teams, in dem die Kommunikation immer im Mittelpunkt stand und weiter stehen wird. Das Team nahm die Auszeichnung für Leistungen in der Vergangenheit entgegen und setzt seine Arbeit zukunftsgewandt fort. Leider war der langjährige Henkel-Kommunikationschef Ernst Primosch, der den Preis eigentlich verdient gehabt hätte, nicht eingeladen. Er hatte das Unternehmen vor zwei Monaten auf eigenen Wunsch verlassen - als Österreicher hätte er zudem die internationale Palette angereichert.

Günter Benteles (PR-Professor in Leipzig) Bonmots zu Beginn der Laudatio auf die diesjährigen Empfänger des Oeckl-Nachwuchspreises blieben zunächst ungehört. Er brauchte Hilfe beim Einschalten seines Krawattenmikrofons. So sind sie, die wahren Kommunikatoren: Wissen nicht, wie sie gehört werden, aber lehren können sie’s, auch das, was zur „professionellen Allgemeinbildung“ gehört.

Allgemeinbildung oder -wissen, in Ordnung, aber gepaart mit „professionell“, was ja wohl so viel wie sachlich-fachlich heißen soll? Bei so manchen Einreichern (57 Finalisten von insgesamt 370 Bewerbungen) stellte sich die Frage, wie sie es überhaupt wagen konnten, sich mit ihrer Arbeit für eine bestimmte Kategorie zu bewerben.

Beispiel 1: In der Rubrik „Change Communication / Presse- und Medienarbeit“ trug die „Integration von Vodafone Deutschland und Arcor“, eingereicht von Vodafone, den Sieg davon. Daß Vodafone Arcor gekauft hat, haben wir aus der Presse erfahren, aber wie es dann weiterging mit dem internen organisatorischen und kulturellen Integrationsprozeß, war das auch in den Medien zu lesen, zu hören oder zu sehen?  Klar, das ist PR nach innen, aber hier ging es doch um einen Preis für Presse- und Medienarbeit, oder? Da hätte sich Vodafone wohl doch besser in der Kategorie „Interne Kommunikation/Mitarbeiterkommunikation“ dem Wettbewerb gestellt. 

Beispiel 2: Nicht vergessen, immer unter der Überschrift PR, war das Team von Edelman erfolgreich im Bereich Gesundheit / Umwelt / Natur: „Lamisil und der FC St. Pauli suchen die baufälligste Umkleide“. Das war für das Unternehmen Novartis unter dem Etikett PR eine höchst erfolgreiche Werbung/Verkaufsförderung für das Fußpilzmittel Lamisil.

Beispiel 3: Untergruppe „Presse- und Medienarbeit / Vertriebsunterstützende PR-Arbeit“. Zwischen u.a. „Pimp my UPS truck“ („pimp“ zu Deutsch: nach Zuhältermanier aufmotzen) und „50 Jahre Barbie“ mußte sich die move elevator GmbH mit ihren „Botschaftern der Ostfriesischen Inseln“ , deren Vertreter sich „herzlich, frisch, humorvoll und bodenständig“ im Einklang mit ihrer Kampagne präsentierten, den meisterhaft puppigen, kleidungs- und tandverliebten  „Barbie-Girl-Blondies“ von Ketchum geschlagen geben.

Sie paßten wunderbar zur gekünstelt-schauspielernd, manchmal - wie bereits im letzten Jahr - bemüht sich anbiedernden Moderatorin des Abends, Anja Kohl von „Börse im Ersten“, deren Namen man vergeblich im Programm suchte. Sachliche Informationen vom Börsenparkett sind ihr Metier, aber bemüht schauspielernd-kokett auf der Show-Bühne? Zitate aus Zweit- oder Drittquellen, so etwa Watzlawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren“, das sie M.H., Manfred Harnischfeger, dem „PR-Kopf des Jahres 2009“, unterschob, ihre wenig selbstbewußte Aussage „ich bin auch Journalistin“, ihre Bemühung von Finanzjargon „dead cat bouncing“ (etwa „kurze Hausse“, kurzes Aufbäumen an der Börse) im Gespräch mit Opel-Betriebs- und Aufsichtsrat, dem wahren sozialen „Kommunikator des Jahres 2009“, den sie dann nicht einmal allgemeinverständlich erklären konnte, so daß Franz sofort nachfragte, soll ich jetzt etwas zur Katze oder zur Zukunft der Menschen bei Opel sagen, oder ihre Anbiederungsversuche bei den Geschlechtern, einmal mit „Frauen-Power“ oder am Schluß kokett gekonnt mit ihrem hingehauchten Wunsch an einen Kuß von Ulrich Nies (und das in Zeiten der Schweinegrippe!) machten deutlich, dass die Bretter der Showbühne und sie nicht zusammenpassen.       

Den „absoluten“ Höhepunkt eines lang-/kurzweiligen Abendmarathons bildete die Auszeichnung der besten Absolventen der PZOK-Prüfungen zum PR-Berater im Jahre 2008. Kommentar eines Unbekannten mit Wiener Charme: „Masse ist noch lange nicht Qualität“. Unvergeßlich bleibt der DPRG-Präsident. Die Dramaturgie war einfach grandios. Begrüßung, Laudatio und Schlußworte und dazwischen – von sieben bis halb zwölf nur unterbrochen durch Vorspeise und Hauptgericht – ein ganz besonderes Aerobic-Programm für Ulrich Nies: 20+x-mal (ich habe aufgehört zu zählen) Auftritt Nies aus den Kulissen von rechts und 20+x-mal Mal Abgang Nies in die Kulissen nach rechts.

29 verwirrend viele Preise zu Arbeitskategorien, von deren Bezeichnung viele kaum je was gehört haben. Und sonst? Alles wie gehabt. Nichts als Selbstbeweihräucherung zu dem, was schon gewesen ist! Keine einzige Aussage zu den vorrangigen strategischen Aufgaben der PR in naher Zukunft. Im ordnungliebenden PR-Deutschland wird weiterhin in offensichtlich streng abgegrenzten Verbandskästchen gedacht, gehandelt und bewertet. Integrierte Kommunikation oder Gesamtkommunikation bleiben eine Wunschvorstellung im Sammelsurium der Unterabteilung DPRG. 

Kein Wunder, war es ja sogar tabu, das K-Wort (hier ausgeschrieben K R I S E) überhaupt in den Mund zu nehmen. Es gilt das Motto, wenn man nicht davon spricht, verschwindet sie (die Krise) von selbst. Ist PR kein aktiver gestalterischer Prozeß, sondern inzwischen zur Bewältigung durch Totschweigen verkommen?

Eine Kommentatorin deutete an, die DPRG verharre wohl immer noch im Geiste ihrer Gründerjahre. Die Kinder und Enkel der Gründer sind noch da, aber die Urenkel wenden sich schon längst einem ganz anderen Medien-Mix zu.

Was hat noch ’mal ein alter österreichischer Kaiser nach der Teilnahme an einem Manöver gesagt? „Schön war’s, aber gelernt hab i nix.“

Ursel Reineke, Heidelberg

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